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Der israelische Historiker Harari zum jüdischen und später christlichen Gebot der Nächstenliebe

9. April 2021

Einige jüdische Gelehrte haben die Ansicht vertreten, selbst das berühmte Gebot «Liebe deinen Nächsten wie dich selbst» beziehe sich nur auf Juden, und es gebe absolut kein Gebot, Nichtjuden zu lieben. Tatsächlich lautet der ursprüngliche Text im biblischen Buch Levitikus: «An den Kindern deines Volkes sollst du dich nicht rächen und ihnen nichts nachtragen. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst» (Lev 19,18) – was den Verdacht nahelegt, dass mit «dein Nächster» nur Angehörige des eigenen Volkes gemeint sind. Verstärkt wird dieser Verdacht noch durch die Tatsache, dass die Bibel den Juden befiehlt, bestimmte Völker wie die Amalekiter und die Kanaaniter zu vernichten: «Aus den Städten dieser Völker jedoch», heißt es
in der Heiligen Schrift, «die der Herr, dein Gott, dir als Erbbesitz gibt, darfst du nichts, was Atem hat, am Leben lassen. Vielmehr sollst du die Hethiter
und Amoriter, Kanaaniter und Perisiter, Hiwiter und Jebusiter der Vernichtung weihen, so wie es der Herr, dein Gott, dir zur Pflicht gemacht hat» (Dtn 20,16-17). Das ist einer der ersten überlieferten Fälle in der Menschheitsgeschichte, in denen ein Genozid als religiöse Verpflichtung dargestellt wurde.

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Erst die Christen pickten sich ein paar Leckerbissen aus dem jüdischen Moralkodex heraus, verwandelten sie in allgemeingültige Gebote und verbreiteten sie über die gesamte Welt. Tatsächlich spaltete sich das
Christentum genau an diesem Punkt vom Judentum ab. Während viele Juden bis heute glauben, das sogenannte «auserwählte Volk» sei Gott näher als andere Nationen, verkündete der Begründer des Christentums – der heilige
Apostel Paulus – in seinem berühmten Brief an die Galater: «Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid ‹einer› in Christus Jesus.» (Gal 3,28)

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Quelle: Aus dem in der Abbildung dargestellten Buch

2 Kommentare leave one →
  1. Waffenstudent permalink
    9. April 2021 15:11

    Lutherbibel 1912

    Als wir denn nun Zeit haben, so lasset uns Gutes tun an jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen.

    Galater 6:10 Als wir denn nun Zeit haben, so lasset uns Gutes tun an …
    https://www.bible.com › DELUT

    Galater 6:10 DELUT. Als wir denn nun Zeit haben, so lasset uns Gutes tun an jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen. DELUT: Lutherbibel 1912.

    Lutherbibel 1912 Als wir denn nun Zeit haben, so lasset uns Gutes tun an jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen. – Google Suche

  2. 10. April 2021 20:44

    Wesentlich ist, diese Gebot der Nächstenliebe richtet sich an ein Individuum. Jeder Einzelne ist aufgefordert. Es gilt weiterhin: gebt dem Kaiser, was dem Kaiser ist. Also Nächstenliebe hat nichts mit der Verwaltung eines Staates zu tun.

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